Philosophie

 

Philosophie: Auseinandersetzung mit Grundlegendem

Die abendländische Philosophie erfreut sich einer bewegten und traditionsschweren Geschichte. Ihre Wiege stand im alten Griechenland, wo vor zweieinhalbtausend Jahren prominente Vertreter der Zunft wie Platon, Sokrates und Aristoteles heute noch bindende humanistische Ideale ins Leben gerufen haben.
Philosophie zielt auf’s Ganze: sie bedeutet kritische Auseinander¬setzung mit Grundlegendem; bedeutet Begründung und begründeten Widerspruch. Sie beharrt auf ihren unbehaglichen Fragen, wo andere absolute Antworten in Stellung bringen. Sie ist „Denken ohne Geländer“ (Hannah Arendt) – ein mitunter mühevolles Unterfangen, das auch in der Schule nicht ohne Anstrengung zu bewältigen ist. Doch die Mühe lohnt: wer sich auf das Philosophieren versteht, "sieht mehr Wirklichkeit, als offiziell vorgesehen ist.“ (Odo Marquard)
Als „gesellschaftliche Rechtfertigungssstrategie“ (Hermann Lübbe) hat die Philosophie so bis heute ihre nicht zu unterschätzende Bedeutung. Das gilt gleichermaßen für den Philosophieunterricht - auch und gerade an einer Schule wie dem GaW, die sich in erster Linie einer naturwissenschaftlichen Philosophie Tradition verpflichtet weiß.

 

Wider die Banalität

Eine belastbare Kultur der Auseinandersetzung fördert und fordert auch der Philosophieunterricht in der Schule. Das mag zunächst naiv anmuten („Fragen? Kann ich!“), ist indessen das genaue Gegenteil. Denn das philosophisch motivierte Fragen zersetzt die trügerische Sicherheit des Alltäglichen, es wehrt sich gegen die träge Banalität des Immer-schon-Bekannten, es misstraut der "herrschenden Meinung".

So schärft die philosophische Tätigkeit ein Bewusstsein, das darauf abzielt, durch (selbst-) kritische Reflexion, durch begriffliche und argumentative Klärung, Kritik und Begründung eine verbindliche Orientierung in der Sache zu erreichen.
Und diese ist – nicht nur für das alltägliche Handeln des Einzelnen, sondern auch für das gesellschaftliche Miteinander – heute nicht weniger drängend vonnöten als in der Antike.

 

Die vier Fragen der Philosophie

Dass philosophische, also grundlegende, Fragen den Hang zum Wuchern aufweisen, liegt an den Fragen; die Philosophie kann dafür nichts. Ihr genuines Anliegen ist es, Ordnung zu schaffen, nicht Unordnung. So hat Immanuel Kant die unübersichtlichen Fragen der Philosophie zu einem handlichen Quartett systematisiert, das bis heute wegweisend ist, auch für den Philosophieunterricht am GaW.

 

Was kann ich wissen?
lautet die erste der vier Generalfragen. Sie ist nicht leicht zu beantworten. Denn sie zielt auf die Möglichkeit von Wissen überhaupt – nicht auf das, was jeder weiß oder was in der Wikipedia steht.
Ist sichere Erkenntnis überhaupt möglich? Gibt es Grenzen unseres Erkenntnisvermögens? Ist unser Wissen verallgemeinerbar? Wenn ja: nach welchen Regeln?
Mit solchen Fragen beschäftigen sich die Erkenntnistheorie und die Wissenschaftstheorie, die Logik und die Sprachphilosophie.

 

Was soll ich tun?
lautet die zweite Frage Kants. Sie soll keine Abhilfe bei Langeweile erbringen, sondern verbindliche, begründete Antworten auf ethische Fragen. Was ist Glück? Was ist gut? Welchen Kriterien sollen unser Handeln leiten? Welche Normen sind verbindlich begründbar? Ist der Mensch überhaupt frei – und also für sein Handeln verantwortlich?
Mit derartigen Fragen befassen sich die Ethik und, wenn es um das Zusammenleben in einer Gemeinschaft geht, die Politische Philosophie.

 

Was darf ich hoffen?
lautet die dritte Frage Kants. Es ist die Frage nach dem Sinn menschlichen Lebens. Sie ist in Zeiten pluralistischer Vielfalt zwar ins Abseits geraten, aber sie ist überaus hartnäckig. Selbst im postmodernen Credo „Alles Ansichtssache!“ wird sie ja beantwortet. Nur ist eine Antwort, die schnell über die Lippen geht, noch lange keine begründete Antwort. Letztere sucht z.B. die Religionsphilosophie.

 

Was ist der Mensch?
Für Kant münden die drei ersten Fragen schließlich in eine letzte, fundamentale: Was ist der Mensch? Sie zielt auf das Wesen des Menschen – eine Frage, die übrigbleibt, wenn die biologischen und psychologischen Wissensbestände über den Menschen abgearbeitet sind. Sie ist als Frage nach der Identität des Menschen in einer Zeit, die von vielen als identitätsbedrohend wahrgenommen wird, eine Frage von elementarer Tragweite.
Sie wird in der philosophischen Anthropologie behandelt.

 

Sapere aude! Ein Plädoyer für die Philosophie

Artikel aus der Festschrift 180 Jahre GaW: pdf zum Download.